Freitag, 19. April 2013

Was läuft'n so...?

Zapping ist auch keine Lösung!

Ja, ich schaue fern! Oft, vielleicht zu oft und dennoch irgendwie (immernoch) gern. Fernsehen bietet Information, Fernsehen bietet Unterhaltung, Fernsehen bietet Zerstreuung – Fernsehen bleibt kontrovers: gebrandmarkt als Beziehungskiller, sinnloser Zeitvertreib, denn zuviel davon soll blöde machen, hieß es früher (und diese Stimmen halten sich bis in die Gegenwart).
Ich scher mich nicht darum, ob es einen schlechten Einfluss hat – ich finde nur, daß die Qualität des Fernsehprogramms (und da fasse ich mich tv-kompatibel kurz) immer grottiger wird!

Ein ordinärer Fernsehabend beginnt, eingefahren im Wochenalltagstrott, mit einer bestimmten Nachrichtensendung auf eurem RTL...nie waren Lügenpropaganda, Halb- und Viertelwahrheiten so kunstvoll verknüpft und unterhaltsam aufbereitet, wie in diesem Sendeformat. Ein bunter Strauß Boulevard, Politik, Sport und Wetter komprimiert auf etwa 20 Minuten: Fünftausend Tote bei einer Katastrophe am Ende der Welt, vollgeschissene Skandalwindeln halbseidener Pseudoprominenter, die immer sehr beliebten Erkenntnisse amerikanischer Wissenschaftler und sportliche Höchstleistungen gutbezahlter Profisportler (Fussball hab ich nie gemocht) werden abgerundet durch dialekt-brabbelnde Wetterlurche – großes Kino...äh, Fernsehen! Prickelnd wird das aber erst, wenn mal wieder irgendein Terroranschlag die freie Welt erschüttert – dann darf jeder, ob Ankermann, Wetterfee oder Sporttrulla das Betroffenheitsgesicht aufsetzen und Beileid heischend einen Bauernschwank der Mitleidsbekundung aufführen...
Dann weiter zum MDR. Lokalpatriotismus bei den Dritten – das nennt sich "Sachsenspiegel" und ist die Plattform der Nachrichten von Menschen, die im schlimmsten Fall nebenan wohnen. Der Mitteldeutsche Rundfunk, als Zentralorgan der Nörgler, Dialekt-Sprachkünstler, DDR-Revanchisten und Kleingartenspartenpatrioten ist ohnehin ein Kapitel für sich: Sendeformate wie "Dabei ab 2" und "Hier ab 4" lassen auf eine geriatrisch optimierte Ausrichtung auf die Zielgruppe schließen. Man merkt sich die Sendungsnamen, man hofft auf Verbrechensberichte aus dem Wohnumfeld. Und was mit niedlichen Tieren und frechen Kindern ist auch immer dabei... Warum heißt dieser Sender eigentlich Mitteldeutscher Rundfunk? Mitteldeutschland als geografisch eindeutig abgrenzbares Areal zu kennzeichnen, fällt mir mit meinem fernsehgeschädigten Hirn immernoch schwer. Meiner Meinung nach sollte das Zentralorgan der Unzufriedenen eher MRUDR heißen: Mitterechtsuntendeutscher Rundfunk.
Es folgen: MRUDR-Nachrichten. Seriöser, öffentlich rechtlicher und subjektiv empfunden, mehr Anspruch...denk ich. Manchmal schalte ich auch einfach nur rum, bis es 20.15 Uhr ist. Die Tagesschau, als Klassiker der ernsthaften Fernsehnachrichten, schenk ich mir...es gibt ja Internet und euren RTL.
Und dann ist es soweit! Es ist 20.15 Uhr! Was soll ich mir nur ansehen? Allein die Auswahl des Standard-Kabel-Grundpakets ist verglichen mit dem, was früher noch über Antenne auf der Mattscheibe landete, enorm. Etwa 30 Sender locken mit so vielem, daß die Wahl der Qual (nicht andersrum) fast schon bedrohlich wirkt. Zur Wahl stehen zum Beispiel: die medial ausgeschlachtete Generalüberholung hässlicher Prekariatsvertreterinnen (inklusive Splatter- und Schockeffekten); Volksmusikhitparadenjahreszeitenfeste (Klatschorgien mit Reichsparteitags-Feeling über alles!); ein, zwei, drei oder noch mehr amerikanische Fernsehkrimiserien in der Xten Wiederholung; ein anspruchsvoller, gebührenfinanzierter Fernsehfilm der Woche (auch diese Woche wieder die selben "SchauspielerInnen" in immer den selben Rollen in immer den selben Geschichten in ständigen Wiederholungen), eine effektvolle Dokumentation über den zweiten Weltkrieg oder irgendeinen anderen Quatsch...puh! Ich schaue in die Röhre angesichts dieses Angebots und entscheide mich für irgendwas auf ARTE... In den meisten Fällen hat man dort ja Glück und es kommt irgendein kopflastiger französischer Film, bei dem es auch schon vor 22.00Uhr expliziter zur Sache geht – und mal ehrlich: lieber eine intellektuelle, lasziv-stöhnende und spärlich bekleidete Französin mit dramatisch aufbereiteten Alltagsproblemen auf ARTE als eine dialekt-palavernde Schrulle aus dem Lokalfernsehen mit jammernder Geltungssucht...!

In diesem Zusammenhang ist es sicherlich schon vielen Zuschauern aufgefallen: die guten Sachen kommen immer sehr spät in der Nacht. Sei es Kabarett/Satire, die richtig investigativen und interessanten Dokus, die besseren Filme aller Genres – immer zu Zeiten, bei denen man als weitestgehend normal rhythmierter Mensch schon semikomatös das Sofapolster biegt und sich fast zwingen muss, wach zu bleiben, weil man das ja unbedingt sehen will und nur deswegen wach geblieben ist! Ist das Medium Fernsehen nicht mal angetreten, den aufmerksamen Volkskörper zu bilden und zu unterrichten? Gehen die Fernsehmacher davon aus, daß die Interessierten nicht schlafen müssen? Hat das System? Wer weiß...?!
Und warum gibt es heute noch diese lustigen Hinweise, daß eine Sendung Darstellungen psychischer und physischer Gewalt beinhalte und erst mit 16 oder 18 Jahren konsumierbar sei (ganz zu schweigen davon, daß es auch Sex oder zumindest ne nackte Muschi zu sehen gibt)? Jedes schwache und frühreife Kinder- und Jugendlichenseelchen kann heute bei der Internetsuchmaschine des eigenen jugendlich-perversen Begehrens das Gesehene fernab jeder Zeit- und Altersbeschränkung suchen, finden, ansehen und speichern...?

Doch zurück zum Fernsehabend: Es ist spät geworden. Die Programmriege rauf und runterschaltend erblickt man jetzt Obskures. Im Verkaufsfernsehen werden von zwei Damen bei Sekt und Selters Vibratoren und Dildos verkauft; Wiederholungen von Wiederholungen auf den Privaten; irgendeine Dokumentation über den bewusstseinserweiternden Fußpilz tibetischer Mönche auf 3Sat; reißerische Enthüllungsberichte bei eurem RTL; Werbung... Eigentlich ist es wirklich an der Zeit ins Bett zu steigen – aber es könnte ja noch was laufen?! Teuflischer Fernsehrundfunk, dein Name ist Überraschungsmoment...! Und wie beißt man sich doch in den übermüdeten Arsch, wenn man doch was verpasst haben sollte? Aber ich bin mir sicher – das, was ich mir hätte ansehen wollen, läuft bestimmt nochmal...irgendwann. Bestimmt im Spätprogramm...Gute Nacht!
Bitte haben Sie Geduld, es geht gleich weiter...


Ich habe nur zwei Augen!
Alles dreidimensional, gestochen scharf und total realistisch – aber nur mit dem neuesten Fernsehfunkempfangsgerät! Plasma oder LCD ist demnach das zeitgemäße  Sein oder nicht Sein des rezenten Homo sapiens televisionensis. Persönlich breche ich an dieser Stelle eine Lanze für den guten alten, robusten und raumgreifenden Röhrenfernseher! Das miserable Programm wird doch nicht besser, nur weil die Bildauflösung höher ist und alles plastischer wirkt? Außerdem habe ich nur zwei kurzsichtige, brillenbewehrte Augen in der Kalotte, um mir all die Programmvielfalt (haha...) ansehen zu können. Schlechte DVDs oder Videokassetten (kennt die Jugend nicht mehr...) gewinnen auch nicht mehr Qualität, wenn der Fernseher eine Bilddiagonale von grob geschätzt 5 Metern aufweist und in HD-Doppeldreifachplus mit 100 Milliarden Farben flimmert! Oder schmeckt das Abwaschwasser besser, wenn man es aus einem handgedrechselten Kristallkelch schlürft?

Fazit!
...die Kiste kann auch mal aus bleiben – vielleicht am Wochende?!

Fernsehtipp der Woche:
REAL HUMANS – echte Menschen! (Immer Donnerstag in Doppelfolgen auf ARTE)
Und gleich die blasphemische Frage(n): Warum kriegt man sowas nicht in Deutschland hin? Muss es denn immer dieser Rosamunde-Plücher-Scheiß oder Nazi-Stasi-Dikataturen-Kram sein...?

(D.P.)


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