Die Würde des Bittstellers ist sehr wohl antastbar. (Unscripted Reality)
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Wirkprinzip. |
Prolog. Ein
Behördenbesuch stand auf dem Plan. Abgabe von stapeligen Unterlagen, fein geordnet und der Mitwirkungspflicht geschuldet. Mal wieder.
Also wettergerecht angezogen, das feste Schuhwerk in die Pedale gekrallt und hingeradelt durch den Regen um sich einzureihen in die heterogene Schlange der
Bittsteller. Abwarten. Durchatmen.
1. Akt: Nach gefühlten 5 Minuten Anstehen, inklusive Anspannung niederhaltendem Umhersehen und Mustern der Mitwartenden, betritt eine
Enddreißigerin die herrschaftlichen Hallen und begehrt wohl ebenso Abgabe
von Unterlagen. Es ist nur ein kleiner Stapel. Sie blickt sich um, erspäht den
freien Schalter gleich zu ihrer linken Hand und geht lächelnd auf den
selbigen zu… „Könn’sä nich lesen
oder was?“ ertönt es bar jeglicher Freundlichkeit kehlig-schroff und beißend aus der Kauluke des
hinter dem Schalter bräsig verbarrikadierten Behördlings der Marke
‚Seriensäufer Baujahr ca.1980‘. Zur Betonung seiner pampigen Sesselpuperpöbelei greift der Behördling zum Stilmittel des Aufstehens in Kombination mit Fingerzeig auf ein Schild. Bravo. Sitzende Ovationen möchte man vernehmen. Doch halt! Hat diese respektlose Verhaltensweise System und birgt sie – rethorisch gefragt – gar irgendein Recht insich? Die Antwort lautet ja. Dieses Musterexemplar bierfurzsaurer
Behördenunfreundlichkeit in Kombination mit narzistischer
Selbstüberhöhung, verziert mit fahl-grauem Teint in Gedenken an die gestrige, durchzechte Nacht, gerahmt in pampiger Lackierung und bar
jedweder Manier hat natürlich Recht. So wie fast alle Recht haben, die
hinter bedeutungsschwangeren Schaltern sinister hocken und die
Vorbeidefilierenden auf ihre Fehlleistungen unfreundlich hinweisen. Es
ginge zwar anders – selbst schon oft so erlebt – aber die miserablen
Ereignisse bleiben noch eher im Gedächtnis hängen. als die positiven. Leider.
(Dramaturgischer Hinweis: Ein mit fast leerer Tintenpatrone auf DIN A4
gehauchter und eindrucksvoll von behördlich-sanktionierter
Inflexibilität zeugender Hinweis, daß an besagtem Schalter unter unausgesprochener Androhung von Geld- und Leibstrafen nur maximal 5
Schriftstückseiten eingereicht werden dürften, prangte sehr gut übersehbar
an der Schalterunterkante.)
2. Akt: Nachdem sich die nun Eingeschüchterte arg verschreckt, mit einem Anflug von Bestürzung in der ehedem fröhlichen Miene und auf
Normgröße gestutzt in die große, gesichtslose Riege der Wartenden
eingereiht hat, läutet der Behördling, nachdem er sich wieder auf seinen Sessel gepflanzt hat, empört ein weithin hörbares
dialektgefärbtes Selbstgespräch ein in Richtung der neben ihm hinter der
Schalterwand thronenden Kollegin. Mit Verwunderung vernimmt der Wartende stupend stupide Rethorik im antisozialen Stile eines späten Guido Westerwelle: „Was die sich erlauben? Können nicht
mal die einfachsten Sachen…Sowas…neee duuu…?!“ Sichtbar in Selbstzufriedenheit
badend grinst der frühzirrhotische Behördling blöde vorsich hin, mustert die demütig Reihestehenden mit kalter Abschätzigkeit. Er schüttelt den Kopf, lehnt sich zurück, dreht sich mit dem Stuhl herum und ist
sichtlich befriedigt. Der Betrachter dieses Szenarios meint willkürliche Tröpfchen der Erleichterung ins fleckige Beinkleid des Schergen tröpfeln zu hören. Hier hat jemand einen guten Tag gehabt. Bitteschön.
3. Akt: „Der nächste…“ „Bitte?“– Oh. Ja, ah… ich bin dran. Gut, daß ich hier bald wieder raus bin…
Epilog. Die Höflichkeit oder Zivilisiertheit ist eine Tugend, deren Folge eine rücksichtsvolle Verhaltensweise ist, die den den Respekt vor dem Gegenüber zum Ausdruck bringen soll. Ihr Gegenteil ist die Grobheit oder Barbarei. (Quelle: Wikipedia)
(D.P.)