Donnerstag, 19. Dezember 2013

Ausflüge in die Dreidimensionalität. [17]

"Man sieht ja gar nichts...?"
Disco!


Wer wie ich oft (und gern in zigfacher Wiederholung) die alten Folgen von Raumschiff Enterprise vor dem Fernseher genossen hat, wurde vor knapp 10 Jahren überrascht, als die originalen Episoden aus den 60ern digital remastert wurden zum 40. Jubiläum der Reihe. Die Bewegtbilder wurden von Kratzern und Dreck befreit, die Effekte mal mehr, mal weniger sensibel überarbeitet und (für den deutschen Star Trek-Freund entscheidend) die Episoden komplett frei von mainzelmännischen Zensur-Schnitt ausgestrahlt – zumindest im Spartenprogramm.
Nach knapp 40 Jahren sah nun so manch fremder Planet tatsächlich nicht mehr so aus, wie der in der Woche davor; die Enterprise flog auch mal andersrum über die Mattscheibe und es gab Sachen zu sehen, die ursprünglich und im besten Falle nur kostensparende Lichtpunkte auf dem Bildschirm oder im schlechtesten Falle eine Zeile im Dialog waren. Eines dieser Objekte war das Raumschiff des wiederkehrenden Komödiantenschurken Mudd, der zusammen mit drei aparten Weltraumgrazien (unter Schönheitsdrogeneinfluss stehend – Science Fiction kann so schön sein!) von der Enterprise nach Verfolgungsjagd gerettet wurde, wobei eben jenes oben erwähnte Schiffchen zu Bruch ging. Ursprünglich war da nur die Rede von einem Klasse-J-Raumschiff und der Zuschauer konnte dann noch ein flirrendes Lichtobjekt erblicken, was über die Mattscheibe huschte. Nun ließ man sich zum Jubiläum nicht lumpen und kreierte zur digitalen Überarbeitung der Originalserie ein "echtes" Schiff. Zwar sieht man nur die "Rücklichter", aber die Phantasie ist in die richtige Richtung gelenkt und es juckt schon fragend in den geekigen Gehirnwindungen und klebrigen Fingern, wie das Teil eigentlich aussehen möge?



Wir hatten ja früher nichts...
Einen weiteren Hinweis auf Formgebung und Anmutung des pixeligen Haufens gab dann ein Besuch der von mir geschätzten Seite "Ex Astris Scientia", wo ich Screenshots und Hintergründiges fand, was verwertbar war. Denn: ein modifiziertes CGI-Modell diente auch für die Darstellung der S.S. Aurora aus der Episode "Reise nach Eden" – wenn man so will auch eine Hommage an die Improvisations- und Verwertungskünste der alten Serie, wo man nach Modifikationen aus dem Modell des Tholianerschiffs kurzerhand die Aurora machte.
Die besagten, in der remasterten Serie gezeigten Schiffchen der sogenannten J-Klasse, erinnern meiner Meinung nach in ihrer Formgebung entfernt an die Runabouts aus Star Trek Deep Space 9 – nur sind sie aerodynamisch-rundgelutschter, wirken improvisierter und reihen sich so in das Erscheinungsbild der alten Serie ein. Zusätzlich scheint es Unterschiede in Texturierung, Formdetails und Proportionen zu geben. So scheinen die Warp-Gondeln von Mudds Schiff kürzer und weiter vorn angebracht zu sein, als die ausladenden der Aurora. Auch ist die Farbgebung von Mudds J-Klasse-Schiff mit einem matteren grau passender als die merkwürdig "wilde" und hingerotzte Texturierung der Aurora. Letztere zeigt ja – und hier werden Erinnerungen an die Flash-Gordon-Raketenweltraumschiffe wach – diese enorm großen runden Fenster auf der Seite. Ist das noch zweckmäßig, oder schon Ausflugsdampfer?


Ich mach's mir selbst!
Das Internet schweigt – so oder ähnlich fühlt man sich als Eiferer, wenn man nach detailierteren Darstellungen sucht. Zwar existieren Screenshots, aber viel mehr auch nicht. So hieß das quasi in kriminalistischer Kleinarbeit die Proportionen, die Symmetrien, die Formen und Linienführungen zu rekonstruieren, um daraus ein plausibles Modell bzw. eine Rekonstruktion des Modells zu erstellen. Mit einer entsprechenden Modellzeichnung würde dann die Gestaltung eines 3D-Modells via SketchUp möglich sein, um in einem verwirrenden Hin und Her einen relativ genauen Plan des Modells im Adobe-Illustrator zu generieren. 
Grillfest.

Hasch mich...

Nun ja, es hat dann doch gut geklappt. Zwar habe ich an der einen und auch anderen Stelle etwas auszusetzen, aber die Anmutung ist stimmig, die Passgenauigkeit befriedigend und die Muße reichte sogar noch für einen halbherzigen Einrichtungsplan, um den imaginären Passagieren einen angenehmen Flug zu gönnen. Da es bis heute nach meinem Kenntnisstand keinerlei offizielle Detaildarstellung dieses Fluggeräts gibt, attestiere ich meiner Rekonstruktion eine gewisse Gültigkeit und Korrektheit.

Auf die Größe kommt es doch an!
Eine Herausforderung (neben den vielen Rundungen) innerhalb des Rekonstruktionsprozess' war die Problematik der Größe des Flugobjekts. Die Screenshots von Mudds Schiff sind diesbezüglich unbrauchbar, weil schlicht zu undifferenziert. Die Ansichten der Aurora dagegen werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Die absurd überproportionierten Fenster an den Seiten suggerieren auf der einen Seite zwei begehbare Ebenen im Schiffsinneren – aber diese Fenster müssen demnach zumindest auf der oberen Kabinenebene bodentief reichen oder anderweitig den Raum teilen. Ich bevorzugte die plausiblere und simplere Variante und entschied mich für zwei unterschiedliche Ebenen, die die Kabine in einen oberen Bereich mit Cockpit, Besatzungskabinen, Sitzgelegenheiten und Sanitäreinrichtungen (!) aufteilte und einen unteren Bereich mit Laderaum, Zugangsrampe und anderem Firlefanz. Verbunden sind diese beiden "Decks" über eine Wendeltreppe (weil platzsparend). Sobald ich diese Aufteilung festgelegt hatte, war auch die Skalierung kein Problem mehr, da mittels grafischen Dummys die Deckenhöhen, Abstände und Raumaufteilungen einigermaßen wohnlich gestaltbar waren.


Mal sehn...
Es wirkt sicherlich spleenig, merkwürdig oder absurd – aber diese im Wortsinn unfassbare Gestaltungsarbeit machte schon Spaß. Es ist gerade der Reiz etwas weiterzudenken, was noch nicht mal als physisches Modell existiert, nur futzelig klein im Hintergrund vorüberhuschte und eigentlich nur ein Haufen Polygone und Pixel auf dem Fernsehbildschirm war, sich da hinein zu phantasieren und im Geiste zu begehen und anzufassen. Vergleichbar ist diese Manie nur mit dem Zauber, den man als Kind erlebt, wenn man mit einem Modellauto, Kaufmannsladen oder alten Puppenhaus spielt – zumindest ich wollte da immer reinkriechen, drin wohnen und verweilen.
Jetzt stell ich mir nur die Frage: Was mach ich als nächstes? Mal was komplett eigenes? Warum eigentlich nicht...!?

Quelle Screenshots: http://www.ex-astris-scientia.org/

(D.P.)

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