Donnerstag, 10. Oktober 2013

Αὐτοῦ γὰρ καὶ Ῥόδος καὶ πήδημα!

Einfach nur blau...

Hic Rhodus, hic salta! 
Das Jahr vergeht, die Zeit rennt, die Arbeit häuft sich mal und mal flieht sie – oder auch anders herum. Das Jahr sah auch Regen, es schaute Fluten, es blickte einen langen Winter und kurzen Sommer. Und das Jahr weckte Sehnsucht nach erholsamer Luftveränderung und fremden Eindrücken! Und so verschlug es den hier Schreibenden in die Ferne – nach Rhodos. Und da ich nicht mit den üblichen Reiseberichten glänzen will, lass ich nur meine Eindrücke Revue passieren, um ein Bild zu malen von dem, was dieser Urlaub war...nämlich einfach schön!

Die Fluglotsen streikten nicht!

Your Captain's speaking...!
Schon beim Aussteigen aus dem zielbringenden Thrombose-Bomber wurde mir gewahr, daß hier eine knappe Woche voller Wärme, Sonne und Wohlbehagen beginnen würde. Es war zwar Abends, die Kofferbeschaffung angesichts der Menschenmenge schwierig, doch letztlich saß man im Bus, der zur Unterkunft transferierte. Schon vom letzten Jahr war ich erstaunt über die legere Fahrweise des Lenkers – jedoch nicht mehr so leicht verängstigt. So fahren sie eben hier und schließlich kam man auch ans Ziel.

Onassis lässt grüßen.

Niveau und andere Crèmes.
Niveauvoll geht die Welt zu Grunde – frei nach dieser Devise war dann auch das Hotel: die Architektur modern, das Interieur elegant, das Rezeptionspersonal zuvorkommend, das Begrüßungsgetränk süffig, der Kofferträger charmant und das Zimmer geleckt und sauber. Und da es schon spät war, blieb an diesem ersten Abend nur noch der Gang zum Abend-Buffet. Nichts geht über ein reichhaltiges Abendessen unter freiem Himmel mit einer illustren, kaum beschreibbaren Auswahl vorzüglicher Vor-, Haupt- und Nachspeisen. Da wollte Etikette gezeigt sein und die gelernten Anständigkeiten wurden bemüht, um die dargebotenen Genüsse kleckerfrei genießen zu können.

Es duftet nach mehr Meer!

Wasser ist nicht gleich Wasser.
Pool oder Meer, das ist hier keine Frage! Denn der Hauptgrund für diese Reise war die Erholung und das Aufsaugen der fremden Atmosphäre. Wozu dann eigentlich in den chlorwässrigen Pool steigen, wenn das Meer noch wohltemperiert lockte? Zwar quälte der teilweise kieselig-steinige Strand die Füße, aber der Koffer-Boy hatte mit seinem Spruch "…still a little bit warm!" Recht behalten: der Einstieg ins laue Nass geriet frei von erstarrendem Temperaturschock und schmeckte nach Mehr...
Auch viel mehr gab es von der Sonne zu sehen: diese schien von früh bis abends, wurde zwischendurch von kleineren Wolken getrübt und strahlte direkt ins Herz. Die Sonnencrème schmolz dabei schnell fließend auf der Haut und mischte sich mit dem Salz des Meeres und des Schweißes. Viele dicke, ein paar ganz fette, dann wieder normale und sporadisch ganz dünne und beängstigend dünne Menschen lagen und lümmelten herum, grillten entweder direkt der Strahlung ausgesetzt vor sich hin, oder suchten Schutz unter den korbgeflochtenen Sonnenschirmen. Doch auch in dieser idyllischen, beinahe archaisch anmutenden Szenerie der kollektiven Anbetung des Zentralgestirns fielen sie auf...
Sie, das waren die Jünger des mobilen Internets. Mit Tablet-Computer und smartem Taschentelefon gewappnet trifft man diese Mitmenschen auch dort, wo das Mitführen fortschrittlicher elektronischer Endgeräte eher grotesk wirkt. Es wurde wild auf Glasflächen gewischt, gymnastisch verrenkt Netz gesucht, intensiv Datenpakete runtergeladen und anderer selbstgeißelnder Schabernack getrieben. Im Vergleich dazu wirkte ich mit einer ordinären Zeitschrift, die man noch mit den greifenden Fingern umblättern muss, fast wie ein Relikt aus vergangener Zeit. Immerhin bleibt ein Spiegel-Magazin auch sonnenmilchdurchtränkt, versandet und meerwasserfeucht noch vollkommen betriebsfähig und muss auch nicht aufgeladen werden...Wahnsinn.

Die Wacht am Rhein auf Rhodos.

Pflichtprogramm.
Geschichtsträchtigkeit ist gerade in Griechenland und auf den vielen griechischen Inseln etwas, womit gefühlt jeder Quadratmeter dort schwanger geht. Wo man steht und geht und fährt gibt es etwas zu sehen, was mal glanzvoller, mal trist von den großen Vergangenheiten kündet, von denen zu lesen sich unsere Geschichtsbücher biegen. Die Griechen selbst müssen damit leben. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang schon eine Fahrt mit dem öffentlichen Personen- und Touristennahverkehr. Da reihen sich am Straßenrand die mit teils zweifelhaftem modernen Geschmack dahingeziegelten, mediterranen Architekturperlen neueren Datums ein in ein Ensemble subtil zugemüllter Grünflächen und rudimentär-ruinösen Überbleibseln aus drei Jahrtausenden belegbarer Geschichte. Zwar prangt an mancher wegesrandiger Säule eine Plakette, die auf die kulturhistorische Relevanz des jeweiligen Fragments hinweist, doch bleibt es den Einheimischen überlassen, sich damit zu arrangieren. Und das gelingt mit einer für deutsche Verhältnisse erfrischend ungewohnten, leichten Gelassenheit, daß all die Ehrfurcht vor dem toten Steinwerk wieder auf ein menschliches Maß herunterrelativiert wird. 

Gyroskopie.

Da es auf Rhodos nur eine große Stadt gleichen Namens gibt, in der nach Aussage der alerten und vom Namen nach omnipräsenten Reiseleiterin die Hälfte der Inselbewohner wohnen, war diese Metropole natürlich das Primärziel von Exkursionen, um den hellenistisch-urbanen Lebensraum einer näherer Betrachtung zu unterziehen. Geteilt in eine Alt- und eine Neustadt und Vororte ist Rhodos ein großes Labyrinth. Orientierung bieten nur die mittelalterlichen Mauern der Altstadt, der Sonnenstand und freundliche Eingeborene.
Die ummauerte Altstadt selbst ist noch labyrinthischer. Nachdem die Festungsmauern mit den aufdringlichen Schuhputzern und Bettelkindern hinter einem lagen und man drin war (die Osmanen hatten es früher viel schwerer), wurden die Gassen immer winkeliger, verzweigten sich in noch kleinere Seitengassen und man hatte den Eindruck, hinter der nächsten Ecke werden diese verschachtelten Querungen noch putziger. Absurderweise hielt weder diese beengte Bebauung noch das stoppelige aber musterreiche Pflaster den wagemutigen Motorollerfahrer davon ab, sich seinen Weg durchs Touristengetümmel zu suchen. Endgültig verwirrt war ich dann, als auch noch ein großes Taxi sich durch die klammen Straßenschluchten fuhr. Wie zum Henker ist der überhaupt um die scharfen Kurven gekommen? Und wie kommt der mit der Karosse wieder raus?
Nachdem ich mir diese und andere Fragen stellte (Die Wohnen tatsächlich hier in diesen gewölbigen, winkeligen Gemäuern...?), fand ich besonders diesen architektonischen und kulturellen Mischmasch innerhalb der alten Mauern interessant. Scheinbar hinterließ jeder, der über diese Insel nur eine Weile herrschte seinen unverkennbaren Fingerabdruck. So türmten sich Minarette auf, kleine Kapellen aller christlicher Konfessionen säumten die von schrill-bunten Geschäften verkleideten Wege und hier und da konnte man auch mal einen Blick auf die hintergründige Ursprungsarchitektur werfen, sofern sie nicht vernagelt war mit den Dekorationen zeitgenössischer Konsumeinladung und Touristenfallenstellerei. An größeren Plätzen konnte man sich dann noch von den Aufforderungen der Restaurant- und Imbisseinweiser berieseln lassen. Mit traumwandlerischer Sicherheit erkannten diese Menschenkenner die mögliche Herkunft des Vorbeidefilierenden und fragten lautstark nach, ob man nicht doch mal Lust gehabt habe, das eine oder andere zu verspeisen. Nein danke, sorry, excuse moi – das reichhaltige Frühstück hält noch vor!

Kulturprogramm.

Fali..Faliraki...wie...?
Dort sieht es so aus, wie es der Name suggeriert. Bunt, schrill, kulissenhaft und nachts sicherlich besonders laut und lustig. Faliraki ist eigentlich – so kam es mir zumindest vor – nur eine wild zusammengewürfelte Ansammlung von Ladengeschäften, Imbissen, Wechselstuben, Strip-Bars und Restaurants entlang eines Straßenbogens.
Hat man eine Straße gesehen, kennt man den Rest. Immerhin, wenn man lange sucht, wird man(n) und vor allem frau fündig und kann das eine oder andere exquisit-exotische, runtergefeilschte Schnäppchen erwerben, was hierzulande niemand hat. Den prägendsten Eindruck hinterließ ein sonnengegerbter Grieche, der an seinem Straßenstand auf einem Hocker saß und wie ein leicht verzerrtes, aber dadurch viel realistischer wirkendes Abbild eines zerzausten Zeus wirkte. Mit erhobenem Zeigefinger wies er laut tönend auf seine Ware (Schwämme) und war dabei mit nicht weniger beschurzt als einer Badehose...ein Bild für die Götter!
  
Ab 22.00Uhr auch mit oben ohne!

Katzen!
Der Hirsch ist das Wappentier von Rhodos. Aber durchstreift man die Inselhauptstadt oder die kleineren Ortschaften, dann sind es die vielen Katzen, denen dieses Amt eigentlich gebühren würde. Kaum ein Geschäft der oberen Altstadt konnte keinen kleinen Stubentiger sein eigen nennen, keine kleine Gasse war frei von sich lümmelnden Miezen...große, kleine, bunte, einfarbige und auch versehrte Mäusejäger...miau...zum mitnehmen putzig!

νιαούρισμα!

Fremdenverkehr.
Es scheint merkwürdig, vergleicht man die Fahrweisen zweier Länder miteinander, aber für mich als passionierten Fuß-, Bus-, Straßenbahn- und Fahrradnutzer war es schon auffällig, wie sehr sich die Kfz-Lenker auf Rhodos von denen unterschieden, wie sie bei uns hier herumgeistern.
Die Fahrzeugtypen der eingeborenen Straßennutzer sind im Gegensatz zu denen der solventeren Mietfahrzeugtouristen überwiegend klein bis kompakt, sehen oftmals ramponiert aus, zeugen von intensiver Nutzung als Transportvehikel für echte Sachen und weniger für Egos und werden unhektisch mit einer Tendenz zum geordneten Chaos durch die Straßen gezirkelt. Betritt man als fußgängelnder Tourist die zum Teil zebragestreiften Straßenübergänge, kommt wie von Zauberhand der schier unaufhörlich vorbeikriechende Blechwurm zum stehen und man kann sicher passieren. Und das ohne Ampel! Am Anfang fiel dieses Vabanque-Spiel noch schwer – später vertraute ich auf die orthodoxe Gottesfürchtigkeit der Griechen auch dem urlaubenden Kreatur gegenüber. In Deutschland würde ich das allerdings nicht probieren wollen. Ich höre sie nämlich schon hupen und wütend keifen...

Kontrastprogramm.

Bonjour Tristesse!
Irgendwann kommt der Tag, da man die elysischen Sphären verlassen muss und sich wieder aufmacht, die Heimat wiederzusehen. Und dieser Tag kam nach knapp einer Woche. Noch ein paar mal den Leib ins Meer getaucht, noch einmal das üppige Buffet genossen, noch einmal geschlafen – und da ging es schon wieder zurück. Nach Kofferaufgabe, Leibesvisitation und leichtem Seufzen wurde man auch gewahr, daß man sich schon fast wieder zu Hause befindet: es schallten haarstreubend einfältige, dialektschwanger vorgetragene Idiotismen aus dem zugewiesenen Wartebereich herüber und man wusste, wohin die Reise geht. Denn da standen sie: die sächsischen Dietmars mit ihren angeheirateten Sieglinden, die mitteldeutschen Ricos mit ihren Jaquelinen und Justins. Jeder Schritt und Handgriff des griechischen Bodenpersonals wurde von jenen leider so bekannten Gestalten durch das Panoramafenster des Gates hochnotpeinlich beobachtet und jeder noch so kleine Fehlgriff mit herrenmenschlichen Bemerkungen kommentiert – selektive Schleudersitze, wo seid ihr!?
Über den Wolken war es dann wieder schöner. Blau erstrahlte die Atmosphäre, die Wolken schäfchengleich in weiß gehüllt darunter und erst im mitteleuropäischen Luftraum trübte sich die Wolkenschicht zu einer grauen Suppe. Und welch Kontrastprogramm am Boden: grau dominierte den Himmel, die Gesichter, die Gebäude. Und die 1. Klasse der Deutschen Bahn ist auch nicht mehr das, was sie vorgibt zu sein. Schön war's...!

(D.P.)

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