Donnerstag, 2. Oktober 2014

Reise an die Amalfi-Küste – oder: Im Land der Beutelschneider. [1]

Prolog.
Es war einmal ein nördlich der Alpen beheimateter Mann, der sich entschloss seinen Urlaub mal wieder im Ausland zu verbringen. Statt an Hellas Gestade führten ihn seine Wege diesmal ins Mutterland deutscher Sehnsüchte – nach Italien. Ungeahnte Abenteuer sollten ihn erwarten, manch krudes Erlebnis und die Bestätigung so mancher Vorurteile warteten dort auf ihn...und ja, doch auch Erholung.

Pizza, Piazza, Razzia etc.
Das Mysterium der verschwundenen Kamera.
Reisebeginn – etwas Stress, selbstgemachter Druck und auch Erleichterung über funktionierende Abläufe. Alles klappt wie am Schnürchen. Noch vor den Hühnern aufgestanden, kaum geschlafen, der klobige Koffer schon vortags prall gepackt und hastig noch einen Krümelkaffee geschlürft. Das Taxi steht pünktlichst bereit – bestellt ist bestellt.
Am Flughafen angekommen. Ging schneller und viel günstiger als gedacht. Prozeduren und Abläufe. Koffer abgeben, Bordkarten erhalten, ständig kontrollierende Griffe: alles noch da, wo es sein soll! Gut. 
Noch etwas Wartezeit bis zur Leibesvisitation. Herumlaufen, Schauen, im Zeitungsladen stöbern. Kontrollierende Griffe: alles noch da, wo es sein soll!
Eigentlich kann man ja mal ein paar Fotos machen? Glas-Stahl-Beton-Architektur im Morgendämmerlicht hat was. Die kleine alte Kamera tut ihren Dienst und ist schnell wieder in der Jackeninnentasche verstaut. Jetzt wird es aber auch Zeit – auf zum Gate in den Hochsicherheitsbereich. Kontrollierende Griffe: alles noch da, wo es sein soll? Wo ist denn diese scheiß Kamera aufeinmal hin? Ich überlege. Wo saß ich, wo wartete ich, wo bin ich lang gelaufen? Hab ich die irgendwo liegen gelassen? Bin ich beklaut worden? Wäre letzteres nicht eher ein Szenario für den Flughafen Neapel? Ach du Scheiße...?! 
Die Zeit drängt nun! Vorhin auf der einen klapprigen Sitzbank hat es so merkwürdig gepoltert – aber sowas ist mir ja noch nie passiert?! Die Zeit wird knapp. Naja, ist ja nun auch egal...ich hab noch diese unsägliche Handy-Kamera...

Fliegen heißt nur bedingt Siegen...

Die fliegende Holzklasse – oder: "Ausgefallene Wünsche kosten aber extra!".
Bitte alle metallenen Gegenstände in die Kiste legen. Hose runter...äh, Gürtel auch abmachen. Bitte. Danke. (Arschloch! entfährt es mir in Gedanken) Immer der gleiche Heckmeck. Alles auspacken, kein Piepsen, alles einpacken. Immernoch keine Idee wo diese verfickte Kamera sein könnte...egal. Der Rest ist da, wo er sein sollte und ich fühle mich schon fast zwanghaft. 
Hoffentlich gibt's im Flieger ein paar gute Zeitungen und was zu Essen?! Endlich geht's los! Hinein in den Thrombosebomber! Immerhin kein Fensterplatz. Und schnell wird klar: immerhin überhaupt ein Sitzplatz! Es wird weder was zu essen geben, noch eine Zeitschrift zum Zeit totschlagen. Vielleicht muss man auch noch fürs Pissen blechen bei dieser Lufthansa-Tochter namens "germanwings"? Bescheuerter Name... Chickenwings. Germanenflügel. Luftwaffe. Dröhnender Schrecken der Lüfte...aber das Logo ist schon irgendwie gut gestaltet. Irgendwie typisch deutsch.
Doch Ernüchterung überflügelt die Freude auf die touristische Luftfahrt: Es gibt weder was zu Essen noch zu Trinken. Bis Köln ist zwar nur ne knappe Stunde Flug, aber ein saftiges Sandwich wäre nicht schlecht. Oder ein Saft oder Kaffee. Der Blick in die hübsch gestaltete Bordbistrokarte verrät mehr: die andernorts sonst so freigiebigen Saftschubsen sind passé. DieServicekräfte von germanwings sind zu Maklerinnen überteuerter Kleinigkeiten verkommen, die Essbares nur gegen Bares abgeben. Bleibt nur zu hoffen, daß an Bord der billigst fliegenden Lufthansa-Tochter auch in Zukunft noch der all zu menschliche Gang zur Toilette zollfrei bleibt...ich war aber noch nie auf dem Flugzeugklo. 
Flughafen Köln-Bonn – die Frisur sitzt. Wartezeit. Rauchen. Im Glaskasten. Kostenlos, aber irgendwie bezahlt man doch mit seiner Würde. Wo sind die Zeiten geblieben, als man in öffentlichen Verkehrsmitteln und den dazugehörigen Dienstgebäuden noch qualmend warten durfte? Vorbei...es geht weiter nach Neapel. Und wieder nichts zu Lesen, Essen oder Trinken. Zwei Stunden lang. Wo ist das Vergnügen geblieben in 10km Höhe bei 900 Stundenkilometern aus einer kunststoffigen Schale kunstloses Essen zu schaufeln und aus filigranen Plastikbechern Flüssiges zu schlürfen? (Ihr Arschlöcher! entfährt es mir wieder in Gedanken) Dann eben etwas Schlafen.
Nach zwei Stunden: Angekommen – etwas hungrig und durstig. Die Kamera, fast schon vergessen...?! Egal. Das Gepäckband wartet, das Wetter sieht sonnig und warm aus. Und dennoch löst sich auch immer mehr und mehr der Stress. Der Koffer kommt! Endlich! Zwar an einem anderen Band, aber so sind sie wahrscheinlich diese Italiener...
Nach der Kofferannahme löst sich nun auch der depeschenartige Stil in Wohlgefallen auf. Der hektisch-laute Trubel des süditalienischen Molochs am Rande des Vesuvs der in die Abfertigung dringt, ruft zur Inangriffnahme der letzten Etappe zum Endziel: Amalfi-Küste! Eigentlich geht dann alles recht flott. Ein gelackter Reiseleiterverschnitt geleitet zu einer chauffierten schwarzen Karosse und schon geht's ab auf die Autostrada. Neapel wirkt aus dem Autofenster wie ein einziger sonnenbeschienener nie enden wollender Slum. Dann geht es ab von Mussolinis Schnellstraße und die Straßen werden immer kurviger, mal auf, mal ab, mal links herum, dann rechts haarnadelig in die Kurven. Entgegenkommende Busse und LKWs können verängstigend wirken, wenn sie so nah passieren. Und weiter werden die Straßen immer enger und kurviger. Wälder, Häuser, keine Bordsteine mehr. Eine knappe Kurve jagt die nächste, noch engere Kurve. Eine Fahrt ins Ungewisse vorbei an Felsformationen die die Straße verschlucken wollen? "Wann sind wir daaaaahaaaa...?" fragt ungeduldig und leicht verängstigt vom rasanten Verkehr das innere Kind...und die Blase drückt auch schon etwas. 

Verkehrszeichen retten Leben!
Buongiorno! 
Eng, enger, Angst. Die Anfahrt ist nichts für sensible Gemüter und Feinde der Nutzung der Hupe. Nachdem die Straßen so eng geworden sind, daß man fast den Eindruck hat, die nächste Kurve durch entgegenkommende Verkehrsteilnehmer nicht lebend zu kriegen, war das Ziel erreicht: Pogerola, Grand Hotel Excelsior, Via Papa Leone X (Hausnummer unbekannt). Klingt beim ersten Lesen erstmal Etepetete, wirkt aber bei genauerer Betrachtung wie ein museal wertvolles Relikt aus einer anderen Zeit (wie so vieles in Italien). Man zehrt vom verblichenen Glanz vergangener Tage, das Exterior wirkt aus der Ferne wie ein altmodernes UFO, das wegen des schönen Ausblicks dort notlanden musste irgendwann in den 50er Jahren und nie wieder abhob. Das Interieur wirkt ähnlich altbacken aber doch sauber. Vom Boden zu essen liegt mir nicht, aber bei so klinisch gefließten Boden, wäre dieses Vorhaben auch ohne Schutzimpfung zu verschmerzen. Dreckecken gibt es im Hotel scheinbar keine. Nie verbanden sich stilsicherer Abgewohntheit mit Sauberkeit und einem – wenn schon vergilbten – Charme zu einem originellen Gebilde. Altbackenes Mobiliar, viele elegante Fliesen, abgewetzte Teppiche an Wand und auf dem Boden, der verwehte Duft von Nikotin und Essen liegt riechbar in der Luft. Da werden Erinnerungen an Ostzeiten wach: die Atmosphäre von FDGB-Ferienhotels umschlingt des Gastes Wahrnehmung. Das Rezeptionspersonal ist multilingual begabt, durchgehend weiblich und durchwachsen freundlich bis subtil skeptisch dem Gast gegenüber, überreicht aber nach kurzer Einweisung den Schlüssel zur Kemenate. "You can use the elevator" – "Thankyou!" Über alle Stufen und Treppen, die im Wege sind auf dem Marsch zum Zimmer sieht man Rampen. Sieht man sich das überwiegend geriatrisch gefärbte Publikum an, ahnt man, daß diese Steighilfen nicht nur zur leichteren Beförderung des schweren Gepäcks dienen könnten sondern auch den Gehbeeinträchtigten hilfreich wären.


Amalfi #1

Das Zimmer ist geräumig, fünfter Stock, Südseite. Wirklich schön! Und das blau-bemusterte Bad hat sogar ein Bidet und das Klopapier ist mit Bildern des Urlaubsortes banderolig verpackt...! Putzig!
Hygiene ist alles!
Amalfi #2
Das Bett ist groß, relativ hart und mediterran zurechtgemacht – will heißen: als Zudecke gibt's nur eine Art Laken, zur Not liegen dickere Decken im richtig alten, großen und schweren Kleidereinbauschrank bereit. In der Ecke, über der gekühlten Minibar, thront ein kleiner Flachbildfernseher. Die ersten beiden öffentlich-rechtlichen deutschen Sender sind empfangbar, der Rest sendet aus dem Rest der Welt. In der Minibar lauern reichlich Getränke, Snacks und ein wirklich kruder Hinweis, der in gestelztem Englisch in Schullandheimmanier vor dem Einstellen außerhalb des Hotels gekaufter Lebensmittel aus Hygienegründen (!?) warnt und bei Zuwiderhandlung sogar mit Entfernung des Kühlschränkchens droht. Die spinnen doch, diese Italiener?! Aber immerhin ist keine 3 Haarnadelkurven entfernt ein kleiner Tante-Emma...äh, Onkel-Luigi-Laden (Market La Florida) zu finden, wo man sich eindecken kann mit Kleinigkeiten und sich mit Händen und Füßen verständigt, weil der bebrillte Inhaber des Englischen unmächtig aber freundlich und zuvorkommend ist. 
Man ist also angekommen – willkommen in Italien! Es wird eine abenteurliche Woche werden...

(Fortsetzung folgt)


Amalfi #3
(D.P.)

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