Montag, 29. Oktober 2012

DesignersOpen2012 – ein Resümee.

Nichts Neues im Land der veganen Trümmerfrauen.

Alle Jahre wieder! Nein, Weihnachten ist noch nicht gemeint – nur die alljährlich stattfindenden DesignersOpen – in ihrer Abbreviatur-Form im Folgenden DO genannt. Planfisch war in geschlossenem Glied auch da, nicht als Aussteller, sondern als interessierte Besucher, um wie auch im letzten Jahr mal einen Blick zu wagen auf all die vermeintlich innovativen, schönen, neuen und gut gestalteten Dinge, die dort präsentiert wurden.
Sport frei!
Letztjährlich fand diese Messe in der alten Spinnerei Leipzig statt – das war eine schöne Lokalität, wie ich fand. Eingerahmt in eine alte, weitäufige Industriekulisse kontrastierten die Ausstellungsstücke und Innovationen wunderbar und die Atmosphäre war irgendwie beeindruckend und stimmig – aber das war letztes Jahr...

Die DO im Jahr 2012 machten Station in der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig in der Jahnallee und für mich als Sportmuffel stellte sich die Frage, was dieser Ort mit Gestaltung zu tun haben könnte? Diese skeptischen Gedanken mal bei Seite geschoben, ging es dann also am Sonntag dorthin mit großen Erwartungen im imaginären Gepäck, einer handlichen Kamera zur Dokumentation in der Tasche und einer ungeheuren Portion Neugier im zwiebelschalengleichen Anziehsachenensemble, um der herrschenden frühwinterlichen Kälte zu trotzen.
Vorausdenkend selbst so eingekleidet wie es die berufsständische Kleiderordnung unausgesprochen grob vorschreibt (schwarzer Rollkragenpullover, schwarzrandige Brille und auch sonst eher gedeckt farbig schwarz), um ein Auffallen zu vermeiden, strömte man vorbei an den anderen Besuchern zum Ticketverkauf, wo man ein 10,-€ (8,-€ ermäßigt) teures Papierbändchen als Eintrittsberechtigung ums Handgelenk geschlungen und eine Plastiktüte mit Infomaterial in die Hand gedrückt bekam. Und was für BesucherInnen man da schlangestehend bestaunen konnte – ein Panoptikum unterschiedlichster Geschmäcker und für jeden was dabei: Frischgeschlüpfte, Junge, Alte, Mittelalte, eben das normale Laufvolk. Dazu die typischen Kreativitätsinteressierten in ihrer pastellig-pfiffigen Tracht, bunt gewandete, alternative und sehr intellektuelle Gestalten mit noch alternativeren Frisuren und sich vertiefend in Fachsimpeleien und als verstörendes "Highlight" zwischen den schwarzbemantelten Resttagesgästen: zwei Damen im Trümmerfrauen-Ausgehlook der späten 40er, frühen 50er Jahre. Was zum Henker hat dieser leicht an Nachkriegs-Pin-Up-Kunst gemahnende Look junger Frauen mit modernem Design zu tun? Die Zeit des Nierentischdesigns ist scheinbar noch nicht vorbei und alles kommt wieder – gelebtes Design-Recycling. Und genau dieser Gedanke musste dann innig festgehalten werden, beim Eintritt in die zu Ausstellungsräumlichkeiten umfunktionierten Sporthallen und Gebäude der Sport-Fakultät: Altes trifft Neues – und das Neue wirkt auf weiten Strecken auch schon wieder alt.
Es gibt Bananen!

Daß man das Rad nicht neu erfinden kann, sollte seit ein paar tausend Jahren bekannt sein. Daß so mancher Gestaltungsmensch schon einmal auf Bewährtes und Gutes zurückgegriffen hat, ist auch kein Geheimnis. Doch so vieles, was da prämiert, präsentiert und angepriesen wurde, erschien mir persönlich schonmal in der einen oder anderen Form da gewesen zu sein. Das wäre ansich ja nicht schlimm und gilt als probates Mittel – schon ein Dozent während meiner Ausbildung konnte nicht mit der Weisheit hinterm Berg halten, daß eine "Rezitation" oder, deutlicher gesagt, ein kleiner, feiner Ideenklau, wenn er gut gemacht ist, eine wunderbare Sache sein kann – wäre da nicht das in meinen Augen all zu überbordende Selbstbewusstsein so mancher Aussteller. Mit ganz pfiffigen, aerodynamisch optimierten Frisuren auf dem bebrillten Kopf, ausgestattet mit einem raumgreifenden Ego und einem kessen Spruch auf den Lippen verkaufen die die Erfindung des Rades, Möbelstücks o.Ä. als ihre eigene. Ständiges Aufwärmen macht Speisen unter Umständen besser, kann aber auch nachteilig sein. So ähnlich verhält es sich in meinen Augen auch mit Fragen der Gestaltung: der Stil des Bauhaus war prägend für das 20. Jahrhundert – die Form folgt dem Zweck. Aber wer braucht den einhundertsten Aufguss des Bauhauseintopfes? Zweckgebundenheit ist ja schön und gut, aber ein gutes Design zeichnet sich meiner Meinung nach ebenfalls dadurch aus, daß es im Alltag unauffällig, gefällig und kombinierbar bleibt und einer breiteren Masse gefällt. Was nützt mir ein Sessel, der in seiner Anmutung an eine moderne Skulptur erinnert, wenn ich diesen in einen großen leeren Raum stellen muss, damit er noch gut wirkt eben nicht aussieht wie eine konstruktivistische Architekturplastik, die sich irgendwie verirrt zu haben scheint?
Danke für den Hinweis.

Ohnehin scheinen mir zu viele Sachen – und ich spreche aus eigener Erfahrung – zu verkopft gestaltet. Denn so viele Gestaltungsprozesse sind langwierig, voller neuer Ideen und Anregungen und man verliert sich in diesem Nachdenken über Form und Funktion. Das Ergebnis kann dann mitunter schockieren, wenn man die Perspektive wechselt: Dem Gestalter selbst ist stets alles klar. Doch der Außenstehende versteht nur Bahnhof und fragt sich, was der Künstler damit ausdrücken wollte. Und an dieser Stelle kommt dann im schlimmsten Fall das oben beschriebene Ego des Gestalters ins Spiel. Er muss den Interessierten an die Hand nehmen, ihm erklären was gemeint ist, ihn von der revolutionären Kraft des Erzeugnisses überzeugen und im besten falle noch eine Bedienungsanleitung beifügen. Gutes Design ist was anderes...
Erhellend...

Stimmungstechnisch betrachtet, ich erlaube mir diesen persönlichen Einwurf an dieser Stelle, war die Lokalität ein Rückschritt. Wirkte die Spinnerei letztjährig noch sehr passend, kam mir in diesem Jahr alles recht eingeengt vor. Zumal mitten in den Ausstellungsräumlichkeiten der Duft von Gesottenem umher waberte, der von verschiedenen Ständen mit Speis und Trank ausgeströmt wurde.



Schneckig...

Stichwort Speis & Trank – Fragen zur Besucherbewirtung: Sind alle Gestalter Vegetarier und/oder Veganer? Sind Fleischesser unkreative Stinkstiefel, die ständig herumnörgeln? Und warum wurde der auch diesmal anwesende Stand von Mintastique nahezu unauffindbar in die Nähe der Hinterausgänge bei den Toiletten postiert? Dürfen Gestaltungsinteressierte in erster Linie nur sehr teure pflanzliche Nahrungserzeugnisse konsumieren, weil tierische Eiweiße und Fette kreative Gedanken verhindern?
Fragen über Fragen, die sich nicht vorurteilsfrei beantworten lassen können...



Pro & Kontra Kinder.
Doch zurück zum eigentlichen Thema: Bei den DO nichts Neues. Zumindest nichts, was mich wirklich dermaßen vom Hocker gehauen hätte, daß ich mich unauslöschlich daran erinnern könnte. Originalität ist in unserer Zeit, und dieser Schluss kommt von Herzen, ohnehin überbewertet. Wenn schonmal alles da war, in der einen oder auch der anderen Form, dann lässt sich eben eine wirkliche Neuheit nicht mehr erreichen. Die Kombination, die Rezitation und Adaption des dagewesenen Guten und Schönen ist demnach die eigentliche Aufgabe der modernen Gestaltung und nicht die Vorgaukelung falscher Tatsachen. Gerade moderne Werkstoffe bieten so viele Möglichkeiten, bereits Bestehendes zu verbessern und auch für breitere Schichten verfügbar zu machen. Gute Gestaltung (speziell von Gebrauchsgütern) sollte nichts elitäres sein, was sich nur Gutbetuchte, Kunstinteressierte oder leicht Beeinflussbare leisten können – sie sollte sich einfügen in Bestehendes, darin aufgehen und nachhaltig wirken.
Sitzposition: erhöht!











(D.P.)

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